YouTube Video vom 14.02.2020

15.02.2020

 

Viele Ehegatten verfassen ein gemeinschaftliches Testament in der Form des sog. "Berliner Testaments". Sie wollen damit sicherstellen, dass der Längerlebende versorgt ist und die Kinder bis zu dessen Tod warten müssen. Was geschieht jedoch, wenn der Längerlebende nach einer gewissen Zeit eine neue Ehe eingeht? Wenn der Fall der Wiederverheiratung im Berliner Testament nicht bedacht wurde, kann es unvorhergesehene Probleme geben, die bis zur Anfechtung des gemeinsamen Testaments nach dem Tod des ersten Ehegatten führen können. Das Video erläutert die Fallstricke dieser erbrechtlichen Regelung.

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Das Berliner Testament ist eines der Themen, die auf diesem Kanal am meisten geklickt werden. Das erste Video zu diesem Thema hatte ich im Mai 2018 veröffentlicht, also vor 22  Monaten. Dieses Video haben in der Zwischenzeit fast 150.000 Menschen angesehen  -  eine unglaubliche Zahl. 

Das zeigt, wie verbreitet die Idee des Berliner Testaments ist. Das Berliner Testament ist jedoch in vielen Fällen nicht die beste Lösung zur Regelung der Erbangelegenheiten ist.

Nicht nur wenn zwischen den Ehegatten ein größerer Altersabstand besteht, ist es nicht ungewöhnlich, dass nach dem Tod des älteren Ehepartners der länger lebende Ehepartner noch einmal heiratet. Da wir alle heutzutage deutlich länger leben als frühere Generationen, findet sich vielfach in höherem Alter noch ein Lebensgefährte, der geheiratet wird. Und damit taucht ein neuer Pflichtteilsberechtigter auf.

Wenn dieser Fall, der sog. „Wiederverheiratungsfall“, im Berliner Testament nicht bedacht und berücksichtigt wurde, kann es große Probleme geben.

Im Normalfall ist das Berliner Testament ab dem Zeitpunkt des Todes von einem der beiden Ehegatten nicht mehr zu ändern. Das ist leicht verständlich, wenn wir uns die Situation vor Augen führen, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments besteht.

Es geht hier um die sog. „Wechselbezüglichkeit“. Dies ist ein juristischer Begriff, der folgenden Sachverhalt umschreibt: ich setze dich zu meinem Alleinerben ein. Im Gegenzug setzt du mich zu deinem Alleinerben ein. Wir wollen aber beide, dass unsere gemeinsamen Kinder am Schluss ALLES erben: also dein Vermögen genau so wie mein Vermögen. Das versteht man unter „Wechselbezüglichkeit“. Keiner der beiden Ehegatten denkt zu diesem Zeitpunkt daran, dass eventuell der länger lebende noch einmal einen anderen Menschen heiratet und damit die besprochene Erbfolge durcheinanderbringt.

Übrigens ist noch etwas wichtig: Ehegatten haben in der Regel KEIN gemeinsames Vermögen. Der gesetzliche Güterstand ist die Zugewinngemeinschaft. Und die muss man verstanden haben, was leider viele Ehepaare nicht durchblicken. In der Zugewinngemeinschaft sind die Vermögen von Mann und Frau getrennt. Es gibt nur eine Regelung für den Ausgleich des Zugewinns, wenn einer von beiden während der Ehe einen größeren Zugewinn erreicht hat, als der andere.

Vielfach wird durch das Berliner Testament im Todesfall des erstversterbenden Ehegatten diese Vermögenstrennung aufgehoben. Man spricht auch von der sogenannten „Einheitslösung“.

Weil der länger lebende Ehegatte zum Alleinerben bestimmt wird, werden beide Vermögensmassen – also die von dem Längerlebenden und die von dem Verstorbenen –  kumuliert. Die Kinder dieses Ehepaares bekommen beim Tod des ersten Elternteils erst einmal nichts. Sie sollen warten, bis der länger lebende Elternteil auch verstorben ist. Das ist ja die grundlegende Idee des Berliner Testament.

Was den meisten Ehepaaren nicht bewusst ist, ist die Tatsache, dass sie ihre Kinder für den ersten Todesfall durch eine solche testamentarische Regelung enterbt haben. Und immer dann, wenn ein Pflichtteilsberechtigter durch ein Testament enterbt wurde, hat der oder die Betreffende Pflichtteilsansprüche gegen den Erben. Das ist im Fall des Berliner Testaments der länger lebende Ehegatte.

Häufig machen in solchen Fällen die Kinder von ihren Pflichtteilsrechten keinen Gebrauch. Sie kennen vielfach die testamentarische Regelung ihrer Eltern und vertrauen darauf, dass sie später, nämlich dann, wenn der länger lebende Elternteil verstorben ist, die gesamte Erbschaft aus beiden Vermögen sowohl von Vater wie von Mutter bekommen werden.

Wenn jedoch der länger lebende Elternteil noch einmal heiratet, gibt es ab dem Termin beim Standesamt einen weiteren Pflichtteilsberechtigten: nämlich den neuen Ehepartner.

Nun gibt es Berliner Testamente, in denen eine so genannte Wiederverheiratungsklausel für diesen Fall vorbeugt. Die Idee ist dabei, dass die Tatsache einer neuen Eheschließung nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten sich auf die erbrechtlichen Verfügungen auswirkt.

Rechtlich ist eine Wiederverheiratungsklausel sehr kompliziert und hängt davon ab, welche Form des Berliner Testaments die Ehegatten gewählt haben.

 

Man unterscheidet die schon erwähnte Einheitslösung von der Trennungslösung. Wenn Sie ein Berliner Testament ohne Rechtsanwalt oder Notar verfassen, werden Sie wahrscheinlich durch ihre Formulierungen die Einheitslösung gewählt haben.

Wenn Sie nämlich beispielsweise verfügen, „wir setzen uns gegenseitig zum alleinigen Vollerben ein und nach dem Tod des Längerlebenden von uns soll unser gemeinsamer Sohn Fridolin der Schlusserbe sein“, dann haben Sie automatisch die Einheitslösung gewählt.

Bei der Trennungslösung entscheidet sich das Ehepaar für eine so genannte Vorerbschaft und Nacherbschaft. Vor- und Nacherbschaft sind äußerst kompliziert. Bei einem Berliner Testament mit Vor- und Nacherbschaft wird der länger lebende Ehegatte nur Vorerbe des Erstversterbenden und das gemeinsame Kind oder die gemeinsamen Kinder sind die Nacherben.

Ich halte jedoch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft - von Ausnahmefällen abgesehen - für grundsätzlich keine gute Idee.

Man bezeichnet die Vor- und Nacherbschaft beim Berliner Testament als Trennungslösung. Dies deshalb, weil es eben zwei getrennte Vermögensmassen gibt. Und genau das macht es ja so schwierig für den längerlebenden Ehegatten, denn er muss im Extremfall eine Buchführung einrichten, um nachvollziehbar zu machen, was er mit dem Vermögen, welches er nur als Vorerbe bekommen hat, gemacht hat.

Allerdings sind im Falle der Trennungslösung die Kinder des ursprünglichen Ehepaares einigermaßen geschützt, denn der neue Ehegatte hat an dem Vermögensteil, der von dem Längerlebenden als Vorerbe nur verwaltet wird, keine Erbansprüche. Haben sich hingegen die Ehegatten für die Einheitslösung entschieden - wie das wohl in den meisten privatschriftlich verfassten Testamenten der Fall sein dürfte – dann ist durch den Tod des Erstversterbenden ein einheitliches Vermögen des Längerlebenden entstanden und daran hat auch der neue Ehegatte gesetzliche Erbrechte und Pflichtteilsansprüche.

Im Extremfall kann sogar der neue Ehegatte das Berliner Testament des ursprünglichen Paares anfechten. Die Möglichkeit dazu besteht aufgrund Paragraph 2079 BGB. Und insoweit ist dann ein Berliner Testament auch nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten noch änderbar.

Wird es angefochten, gilt zwar dann nach dem Tod des Erstversterbenden die gesetzliche Erbfolge. D.h. die Kinder, die durch das Berliner Testament enterbt wurden, kommen zu ihrem Erbteil. Allerdings hat ja auch der länger lebende Ehegatte einen gesetzlichen Erbanspruch von immerhin 1/2 nach dem Tod des Erstversterbenden – vorausgesetzt es bestand Zugewinngemeinschaft.

Hinzu kommt, dass es in diesem Fall auch sehr darauf ankommt, welches Vermögen der zuerst verstorbene Ehegatte überhaupt vererbt hat. Eventuell ist das ja nicht viel gewesen, so dass der „Schaden durch die Anfechtung“  aus Sicht des längerlebenden Ehegatten gering ist.

Jedenfalls kann dann der wieder verheiratete länger lebende Ehegatte nach der Anfechtung des mit seinem früheren Ehegatten gemeinsam verfassten Berliner Testaments wieder völlig frei seine Erbfolge regeln. Und natürlich kann auch der neue Ehegatte zum Alleinerben berufen werden.

Sie sehen also daraus, dass es ganz schön kompliziert werden kann, wenn bei einem Berliner Testament der länger lebende Ehepartner wieder heiratet.